Karl-Heinz Kraemer
Department of Political Science of South Asia, South Asia Institute, University of Heidelberg

Nepal auf dem Weg zur Demokratie

In: blätter des iz3w 166:21-24 (1990).

Seit dem 19.April 1990 besitzt Nepal wieder eine Parteienregierung. Die neue Regierung wird von Krishna Prasad Bhattarai, dem amtierenden Vorsitzenden des Nepali Congress, geleitet. Der Wiederzulassung der politischen Parteien am 8.April waren zunächst zähe Verhandlungen gefolgt, ehe König Birendra am 16.April dem Druck des Volkes nachgab, das Panchayat-System auflöste und Ganesh Man Singh, den Führer des Nepali Congress mit der Verantwortung für die Bildung einer neuen Regierung beauftragte. Ziel der neuen Übergangsregierung ist es, sich innerhalb von 90 Tage eine neue Verfassung als Handlungsgrundlage zu verschaffen, innerhalb eines Jahres freie Parlamentswahlen durchzuführen und das seit über einem Jahr angespannte Verhältnis zu Indien zu verbessern. Ungeklärt ist z.Z. noch die Rolle von König Birendra, dem die an der Regierung beteiligten Parteien nur noch eine konstitutionelle Aufgabe mit beschränkter Macht zuerkennen wollen. Aus dem Palast werden jedoch nach wie vor immer wieder Versuche unternommen, die absolute Macht zu erhalten.

Der heutige Staat Nepal wurde vor gut 200 Jahren von Prithvinarayan Shah, dem Herrscher des kleinen Königreichs Gorkha, und seinen Nachfolgern durch militärische Eroberung begründet. Zuvor existierten auf dem Gebiet des heutigen Nepal etwa 80 kleine und kleinste Staatsgebilde, an deren Spitze jeweils ein raja (König) stand. Dieser militärischen und politischen Einigung folgte ein längerer Prozeß der administrativen und gesetzlichen Einigung, welcher durch die Übertragung des Hindu-Rechts auf den neuen Gesamtstaat geprägt war. Diese Entwicklung fand ihren vorläufigen Abschluß in dem ersten nepalischen Gesetzeskodex, dem muluki ain von König Surendra Bikram Shah aus dem Jahre 1854, der aber letztlich ein Werk des Premierministers Jang Bahadur Rana, des Begründers der Rana-Autokratie, war.

Die Rana-Familie, die Nepal von 1846 bis 1951 beherrschte, verstand es, die Königsfamilie der Shah ins politische Abseits zu drängen, mit Hilfe der britischen Indienregierung das Land völlig von der Außenwelt abzuschließen und das Volk in Unwissenheit und politischer Unmündigkeit zu halten. Nach der Unabhängigkeit Indiens war auch der Freiheitswille der nepalischen Volkes nicht mehr länger zu unterdrücken. Es kam Ende der vierziger Jahre auf indischem Boden zur Bildung einer Reihe nepalischer Parteien, die entscheidend zum Erfolg der Revolution von 1950/51 gegen das Rana-Regime beitrugen. In der Folge dieser Revolution kehrte König Tribhuvan in seine traditionelle absolute Stellung zurück, bekannte sich jedoch in der von ihm verkündeten Übergangsverfassung zur raschen Durchführung von Parlamentswahlen und zum Verzicht auf seine absoluten Rechte bereit.

In der Folge zeigten jedoch sowohl er als auch sein Sohn und Nachfolger auf dem Königsthron, Mahendra, wenig Ehrgeiz, die hochgesteckten Ziele der Übergangsverfassung zu verwirklichen. Als sich König Mahendra dann endlich doch bereiterklärte, Wahlen durchführen zu lassen, waren die Parteien allgemein so froh, daß überhaupt Wahlen stattfanden, daß sie sich auch damit abfanden, daß der König 1959 dem Land unmittelbar vor den Wahlen eine neue Verfassung verpaßte, mit der die meisten Parteipolitiker in dieser Form nicht unbedingt einverstanden waren. Nach ihrer Meinung hätte eine verfassunggebende Versammlung gewählt werden sollen, die dann in gemeinsamen Beratungen und Diskussionen eine demokratische Verfassung hätte erarbeiten können. So aber hatte König Mahendra eine Verfassung geschaffen, die man zwar mit gewissen Einschränkungen als demokratisch bezeichnen konnte, die dem König aber jederzeit das Recht zum Einschreiten einräumte, wenn die Interessen der Monarchie bedroht waren.

Die Notstandsartikel 55 und 56 der Verfassung von 1959 waren für König Mahendra ein letztes Pfand, falls ihm die Zügel der Macht trotz der zahlreichen Einschränkungen der Rechte der demokratischen Parteien entgleiten sollten. Sie waren die Rechtsgrundlage, auf die sich der König am 15. Dezember 1960 berief, als er die Nepali Congress-Regierung, die über mehr als zwei Drittel der Sitze im Parlament verfügte, verhaften ließ, das parlamentarische System Nepals nach nur eineinhalb Jahren mittels dieses Staatsstreichs von oben wieder abschaffte, alle politischen Parteien verbot, ihre Führer teilweise mehr als 14 Jahre lang ins Gefängnis steckte und dem Land das heutige Panchayat-System verlieh.

Dieses Panchayat-System und seine Verfassung sind/waren seit nun fast dreißig Jahren die Grundlage des nepalischen Staates. Was den politischen Teil der Verfassung ausmacht, so ist diese ganz auf die Person des nepalischen Königs zugeschnitten. Es heißt in Artikel 20 Abs.2 der Panchayat-Verfassung wörtlich: "Die Souveränität Nepals ruht in Seiner Majestät und alle Macht - exekutiv, legislativ und judikativ - gehen von ihm aus." Wie anders kann man eine solche Machtfülle deklarieren als mit dem Wort "absolut"? In Anbetracht dieses Artikels 20 werden alle übrigen Artikel der nepalischen Panchayat-Verfassung im Grunde überflüssig; sie sind nur ausschmückendes Beiwerk. Sie betonen immer wieder nur, daß Macht und Recht dem König zustehen und er diese Macht persönlich ausübt und sich der sonstigen in der Verfassung vorgesehenen Organe und Institutionen nur zu bedienen braucht, wenn es ihm beliebt. Ich will hier als Beispiel nur Artikel 24 Abs.1 zitieren, der die Ausübung der exekutiven Macht näher beschreibt. Dort heißt es: "Die exekutive Macht in Nepal soll ausgeübt werden.... entweder direkt durch Seine Majestät oder durch ihm untergebene Minister oder andere Beamte."

Zwar kennt die Panchayat-Verfassung eine ganze Reihe von Institutionen, die auf den ersten Blick demokratisch anmuten, die aber letztendlich lediglich (für sich selbst machtlose) Instrumente des Königs sind, die dazu dienen, die traditionelle Macht und die Interessen des Königs zu erhalten und zu wahren. So ist in der Verfassung auch nicht im geringsten die Rede von einem demokratischen Regierungssystem, wenn vom Staat Nepal gesprochen wird. Schon die Präambel der Verfassung spricht nur vom "Königreich Nepal". Noch eindeutiger äußert sich Artikel 3 Abs.1, wo es heißt: "Nepal ist ein unabhängiges, unteilbares und souveränes monarchisches Hindukönigreich." Von einem demokratischen Staatswesen ist hier überhaupt keine Rede. Vielmehr wird in dreifacher Weise das Königtum als die nepalische Staatsform schlechthin hervorgehoben. Es hätte im Prinzip der Begriff "Königreich" ausgereicht. Bis zur dritten Verfassungsänderung vom 15. Dezember 1980 stand an dieser Stelle noch das Wort "Hindu-Staat". Entsprechend den alten Hinduschriften von Staat und Gesellschaft steht an der Spitze eines jeden Hindu-Staates ein raja (König). Ein Staat, der sich als Hindu-Staat definiert, ist mithin immer ein Königreich.

Die Geschichte seit 1961 hat bewiesen, daß das Volk diese absolute Herrschaft des Königs nicht akzeptierte. Man könnte hier unzählige Proteste, Aufstände und Bewegungen zitieren, mit denen das Volk versuchte, seine ihm nach international anerkannten Richtlinien zustehenden Menschenrechte durchzusetzen. In seiner Verzweiflung griff es dabei phasenweise auch zum Mittel der Gewalt, meist aber verfolgte man den Weg von Satyagraha, von passiven Widerstandsbewegungen. Immer aber wurden diese berechtigten Ansprüche des Volkes mit eiserner Hand unterdrückt. Bestes Beispiel für den verzweifelten Kampf des Volkes und die brutale Gegenwehr des Systems ist die jüngste Demokratie- und Menschenrechtsbewegung, die ja zumindest zu einem vorläufigen Erfolg geführt hat.

Nach der Niederlage Rajiv Gandhis bei den indischen Parlamentswahlen und der Lockerung der am 19.März 1989 von Indien über Nepal verhängten Wirtschaftsblockade unter der neuen indischen Regierung konnten auch die verbotenen nepalischen Parteien wieder freier agitieren. Das nepalische Volk hatte insbesondere in den städtischen Ballungsgebieten sehr unter den Auswirkungen der indischen Wirtschaftsblockade zu leiden. Dies verschärfte den Haß und die Wut auf die Panchayat-Regierung, der man völlige Unfähigkeit in der Lösung des wahnwitzigen Konfliktes vorwarf, noch mehr. Daher war es wohl ein idealer Zeitpunkt, als ein Koordinationskomitee aus dem Nepali Congress, der United Left Front, einem Bündnis von sieben Linksparteien, und FOPHUR, dem Forum for Protection of Human Rights Nepal, einer seit 1985 bestehenden unabhängigen Menschenrechtsorganisation, für den 18.02.1990, den nationalen "Demokratietag", zu einer Satyagraha-Bewegung aufrief.

Diese Bewegung wurde von allen Schichten des Volkes begrüßt und entwickelte sich daher rasch zu einer Volksbewegung. In den letzten Tagen bedurfte es schon gar nicht mehr des Aufrufs der Organisatoren; Proteste und Demonstrationen fanden spontan an allen Ecken und Enden Nepals statt, nicht nur im Kathmandutal. Zu den Teilnehmern gehörten Studenten, Jugendliche, Bauern, Arbeiter, Handwerker, Ärzte, Krankenschwestern, Anwälte, Lehrer und Professoren, Ingenieure, Schriftsteller, Künstler, Staatsbedienstete, Frauen und Kinder. Fast das gesamte Volk stand hinter der Bewegung.

Auf der anderen Seite wußte die Regierung sich nicht anders als durch gravierende Verstöße gegen die fundamentalen Menschenrechte in geradezu abscheulicher Weise zu erwehren. Ich möchte hierzu aus einem Artikel von Kusum Shrestha, dem Vorsitzenden der Nepal Law Society, zitieren, um zu verdeutlichen, in welcher Situation sich das nepalische Volk am Ende der Panchayat-Herrschaft befand. Kusum Shrestha zählt dabei folgende Verbrechen der Regierung auf:

  • Verletzung der Körper und der Schamgefühle der Frauen
  • Ermordung von Personen aus allen Elementen der Bewegung einschließlich Kindern
  • Beschlagnahme und Verstümmelung der Leichname
  • Verweigerung des Rechts der Leichenverbrennung durch die Angehörigen der Opfer und damit Verletzung eines der tiefsten und bedeutendsten religiösen Gefühle der nepalischen Menschen
  • von der Regierung geförderte zügellose Gewalt einschließlich der außergerichtlichen Tötung und des Verschwindenlassens von Personen
  • Unterdrückung friedlicher Versammlungen und Demonstrationen unter Anwendung äußerster Gewalt und Brutalität einschließlich des Einsatzes von Tränengas, Schlagstöcken, Geschossen und anderen tödlichen Waffen gegen unschuldige und unbewaffnete Bürger
  • willkürliche und zufällige Verhaftung und öffentliches Schlagen
  • erniedrigendste Arten der Folter wie Schlagen und Untertauchen in schmutziges Wasser und Jauche
  • falsche Beschuldigung krimineller Handlungen ohne rechtliche Basis
  • Pressezensur und Beschlagnahme von Zeitungen, Büchern und elektronischen Kommunikationsmitteln
  • Veruntreuung, Mißbrauch und Raub öffentlicher Mittel in ungeheurem Ausmaß
  • allgemeine Verbreitung von Terror unter Einsatz von Geheimpolizei, der Androhung des Arbeitsplatzverlustes, durch Verhaftung und Verschwindenlassen usw.

Ich möchte mich hüten zu sagen, welchen Anteil der König persönlich an all diesen Verbrechen hatte. Das kann ich aus meiner Situation nicht beurteilen. Zur Beantwortung der Frage nach der politischen Verantwortung möchte ich jedoch auf die bereits oben zitierten Artikel 20 Abs.2 und 24 Abs.1 der Panchayat-Verfassung verweisen, unter deren Deckmantel all dies geschehen ist.

Anfang April nahm König Birendra erstmals selbst Stellung zu den Ereignissen und rang sich unter dem übermäßigen Druck des Volkes zu Entscheidungen durch, die er schon längst früher hätte treffen können. Man fragt sich, warum das Volk erst so leiden mußte. Nacheinander wurden die politischen Parteien wieder zugelassen, der National-Panchayat aufgelöst und eine Regierung gebildet, der neben 2 Vertrauten des Königs 2 Unabhängige und 7 Vertreter der an der Bewegung beteiligten Parteien angehören. Damit ist ein erster Schritt hin zu einer Demokratisierung als Voraussetzung für die Verwirklichung der Menschenrechte in Nepal getan.

Die neue Regierung ist jedoch nicht um die Aufgaben zu beneiden, die vor ihr stehen. Man muß sich vergegenwärtigen, daß all dies immer noch unter den Rahmenbedingungen der Panchayat-Verfassung abläuft, nach denen der Ministerrat im Prinzip machtlos ist. Die Macht der Regierung basiert allein auf der vollen Unterstützung durch das Volk. Die neue Regierung hat sich zum Ziele gesetzt, innerhalb von drei Monaten eine neue Verfassung auszuarbeiten und vor Ablauf eines Jahres allgemeine freie Parlamentswahlen durchführen zu lassen.

Der entscheidende Schritt wird dabei die Ausarbeitung der neuen Verfassung sein. Der Frankfurter Staatsrechtler, Prof. Avenarius, hat am 26. April auf einer von der Nepal Law Society und der Friedrich Naumann Stiftung in Kathmandu durchgeführten Tagung klar herausgestellt, daß das Problem einer neuen Verfassung viel zu komplex und zu sensibel ist, um in drei Monaten aus dem Boden gestampft zu werden. Er hat statt dessen den Vorschlag unterbreitet, zunächst eine Übergangsverfassung zu entwerfen, welche alle wesentlichen Gesichtspunkte der neu auszuarbeitenden Verfassung bereits beinhalten sollte. Diese Übergangsverfassung könnte dann innerhalb kürzester Zeit die Panchayat-Verfassung ersetzen und so der Parteienregierung eine rechtliche Handlungsgrundlage für ihr weiteres Vorgehen liefern. Prof. Avenarius hält es auch für wesentlich, daß die endgültige Verfassung vom vorher zu wählenden Parlament ratifiziert und nicht wie beispielsweise 1959 vom König vor den Wahlen promulgiert wird.

Die entscheidende Frage in Bezug auf die neue Verfassung wird sein, welche Rolle der König spielt. Prof. Mathura Prasad Shrestha, der Vorsitzende von FOPHUR und heutige Gesundheitsminister, hat mir in einem persönlich Gespräch am 5.Mai versichert, der König habe sich zu einer streng konstitutionell-monarchischen Rolle bereit erklärt. Öffentlich hat er dazu jedoch bisher nicht Stellung bezogen. Während jedoch Regierung und Juristen mit ausländischen Verfassungsrechtlern über eine neue Verfassung berieten, bildete König Birendra am 10.Mai seinerseits eine Verfassungskommission, die er aber bereits fünf Tage später nach massiven Protesten wieder auflösen mußte. Ein großes Erschwernis für die Arbeit der neuen Regierung ist auch die Tatsache, daß entsprechend der noch gültigen Panchayat-Verfassung Polizei und Militär direkt dem König unterstehen. Dies wurde vom Palast wiederholt ausgenutzt, um den Eindruck einer Regierungsunfähigkeit zu erwecken. Im Volk steigerte sich daher der Unmut gegen den Palast. Im Verlauf einer Demonstration kam es am 23. April zu Ausschreitungen; aufgeregte Demonstranten griffen Polizisten und - wie es hieß - als Polizisten verkleidete Mandaliya an, lynchten einige von ihnen und schleiften sie vor den Königspalast. Wie schon bei früheren Demonstrationen eröffnete die Polizei das Feuer. Es gab wieder zahlreiche Opfer; man sprach von bis zu 15 Toten und über 70 Verletzten. Es wurde eine nächtliche Ausgangssperre über Kathmandu verhängt, die erst am 10. Mai wieder aufgehoben wurde, und das Militär kontrollierte die Straßen.

Die im Volk verhaßten Randaliererbanden waren von der Panchayat-Regierung während der Demokratiebewegung bewußt eingesetzt worden, um die Bewegung in Verruf zu bringen. Bereits bei den Unruhen von 1979, die damals zum Referendum über das Panchayat-System führten, war die Regierung ähnlich verfahren. Die Mandaliya haben ihren Ursprung in den sechziger Jahren, als die Panchayat-Regierung Schüler und Studenten kaufte, um sie als Spitzel gegen Sympathisanten der verbotenen Parteien an Universität und Schulen einzusetzen. Da diese Gruppen später im "Rastravadi Svatantra Vidyarthi Mandal" (RSVM), der Studentenvereinigung des Panchayat-Systems institutionalisiert wurden, werden sie allgemein als "Mandaliya" bezeichnet. Auch nach der Beendigung des Panchayat-Systems am 16.April streiften diese Banden nachts durch die Stadt, drangen in Privathäuser ein, raubten und plünderten. Die Bevölkerung traute sich kaum noch zu schlafen. Es mehrten sich die Aussagen, daß diese Banden ihren Auftrag vom Palast erhielten, und man bildete daher in den Stadtbezirken und Dörfern eigene Zivilschutztruppen, die sogenannten "Tol Raksya Sangh" oder "Vigilance Groups". Ein besonderes Problem war auch, daß viele Polizisten ihre Ausweise nicht mit sich führten und sich daher bei Zusammenstößen mit den Tol Raksya Sangh nicht als tatsächliche Polizisten ausweisen konnten. Oft genügte es schon, wenn einer rief: "Das sind Mandaliya", um eine gewalttätige Auseinandersetzung anzuzetteln.

Eine andere Frage ist, wie lange das derzeitige Regierungsbündnis wohl halten wird. Nur das gemeinsame Vorgehen von Nepali Congress und linken Gruppen konnte den Erfolg der Volksbewegung herbeiführen. Dessen sind sich die Parteiführer allgemein einig und sie betonen daher auch immer wieder ihren guten Willen. So erklärte Man Mohan Adhikari (Nepal Communist Party): "Dieses Bündnis ist das Ergebnis unserer Erfahrungen aus den vergangenen 30 Jahren. In der Vergangenheit gab es nicht einmal unter den kommunistischen Gruppen Einigkeit, und der Vorteil lag daher immer auf der Seite des Königs."

Dennoch lassen sich Meinungsverschiedenheiten auch zwischen den an der Regierung beteiligten Parteien und Gruppen nicht leugnen. Ein entscheidendes Argument ist insbesondere immer wieder die Einstellung zur Monarchie. Während einige radikale kommunistische Gruppen das Königtum völlig abgeschafft wissen wollen, bekennen sich die wichtigsten der an der Regierung beteiligten Parteien zur geplanten Einführung einer konstitutionellen Monarchie. Hier werfen die linken Gruppen dem Nepali Congress einen zu liberalen Standpunkt vor. "Der Congress macht Kompromisse, indem er mit dem Palast so und mit dem Volk wieder anders verhandelt. Wir wollen die absolute Macht des Königs auf die eines konstitutionellen Monarchen reduzieren, aber K.P.Bhattarai läßt sich ganz einfach zu viel Zeit für Verhandlungen mit Birendra", sagte Madhav Kumar Nepal, einer der Führer der marxistisch-leninistischen Fraktion der Nepal Communist Party.

Neben der United Left Front, an der sieben kommunistische Gruppen beteiligt sind, gibt es noch ein weiteres Bündnis von fünf Linksparteien, die nicht an der Demokratiebewegung teilgenommen haben und heute nicht Mitglied der Regierung sind. Dieses Bündnis, das sich United National People's Movement (UNPM) nennt, verurteilte die Ausschreitungen der Randaliererbanden in der Hauptstadt als eine Verschwörung, die darauf ausgerichtet sei, das Volk der Rechte zu berauben, die es gerade durch die Demokratiebewegung erlangt habe. Man verlangte die sofortige Entlassung der vom König ernannten Zonenkommissare, die in den 14 Zonen Nepals für die Ausschreitungen der Sicherheitskräfte verantwortlich waren, und anderer leitender Beamter, "die als Schutzhüter des tyrannischen Panchayat-Systems" gehandelt hätten, sowie die Bildung einer unparteiischen Kommission zur Untersuchung der Ausschreitungen im Verlauf der Demokratiebewegung. Die UNPM forderte wiederholt eine groß angelegte politischen Konferenz zur Diskussion und Abstimmung über die aktuellen Probleme.

Nach seinem gescheiterten Versuch hat König Birendra nun die Verantwortung für den Entwurf einer neuen Verfassung ganz in die Hände des Ministerrats gelegt. Letzterer scheint nach neuesten Meldungen auf den Rat ausländischer Verfassungsexperten verzichten zu wollen. Es bleibt zu hoffen und zu wünschen, daß die nepalischen Juristen und Parteien mit der neuen Verfassung eine Grundlage schaffen, in der das nepalische Volk alle international anerkannten menschlichen Grundrechte genießen kann. Dazu bedarf es jedoch auch eines Umdenkens und Wandels in manchen Bereichen der nepalischen Gesellschaft.

Nachtrag: Dieser Originaltext  wurde vom Informationszentrum 3. Welt für die Veröffentlichung redaktionell überarbeitet.


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